Die spezifische Sprache im Speisegesetz von 3. Mose 11
Das Schlüsselwort in 3. Mo 11 ist "unrein". Seine hebräische Form ist tame' und es erscheint insgesamt 34mal in diesem Kapitel. (24) Das Antonym "rein" (hebr. tahôr) dagegen wird nur viermal in 3. Mo 11 (Verse 32, 36, 37, 47) benutzt. Ein zweites Schlüsselwort in 3. Mo 11, 2-23.41-45 ist das hebräische Wort sheqets, das "verabscheuungswert" (25) bedeutet. In 3. Mo 11, 2-8 wird das Wort "unrein" (tame') für Landtiere benutzt, die zum Essen freigegeben sind. Die Wassertiere in den Versen 9-12 dagegen sind sheqets, "verabscheuenswert" (Verse 10, 11, 11, 12), desgleichen die geflügelten Tiere in den Versen 13-23 und 41-42. Die Frage, die daraufhin gestellt wurde, lautet, ob die Bezeichnung "soll eine Scheu sein" (sheqets)
im Vergleich mit der Bezeichnung "unrein" (tame') anscheinend "eine extremere kultische Disqualifikation darstellt". (26) Zeigt das Wort shequets "nur ein Verbot als Speise" an? (27) Auf diese Fragen sind abweichende Antworten gegeben worden. Es ist jedoch beachtenswert, dass das, was in 3. Mo 11, 9-12 als "es soll eine Scheu sein" beschrieben wird, im Paralleltext in 5.Mo 14, 10 als "unrein" bezeichnet wird. Das lässt darauf schließen, dass beim Vergleich dieser beiden Kapitel zum selben Thema ein entscheidender Unterschied zwischen diesen beiden hebräischen Worten schwer erkennbar ist. Des Weiteren werden die geflügelten Tiere in 3. Mo 11, 20, 23. die als "verabscheuenswert" beschrieben werden, in 5. Mo 14, 19 wieder als "unrein" bezeichnet. Dies könnte darauf hinweisen, dass beide Worte im Großen und Ganzen dieselbe Bedeutung haben.
Es gibt vielleicht noch eine weitere Überlegung für die Benutzung dieser zweifachen Ausdrucksweise. David P. Wright hat nahe gelegt, dass "die Verwendung der (hebräischen) Wurzel shqts bei den Tieren in den Versen 9-23 (in 3. Mo 11) sich nur auf ihre verabscheuenswerte Natur hinsichtlich des Verzehrs derselben bezieht und nicht auf die Möglichkeit, sich durch ihre Berührung zu verunreinigen." (28) Er unterstützt den Gedanken, dass unreine/verabscheuenswerte Tiere keine erworbene Unreinheit verursachen. Die Verwendung des hebräischen Verbs sheqets weist außerdem auf das Schwerwiegende der Verabscheuungswürdigkeit unreiner Tiere hin. Dasselbe Verb wird für ein geschnitztes Götzenbild benutzt, das verabscheuenswert ist (5. Mo 7, 25-26). Dieser Zusammenhang ist geeignet aufzuzeigen, wie ernst das unreine/verabscheuungswürdige Tier betrachtet werden muss, wenn es um seinen Verzehr als Speise geht. Es ist das gleiche, als hätte man eine Teilhabe an einem Götzen oder nähme einen Götzen in sich auf.
Die Zusammenfassung in 3. Mo 20, 25 sagt, dass sich eine Person durch Verzehr eines unreinen Tieres "unrein" macht. Als nächstes wollen wir die Art und Weise der Beziehung zu "Gästen/Fremdlingen" in Israel behandeln und wie dadurch der Universal-Gesetz-Charakter der Speisevorschrift in 3. Mo deutlich gemacht wird. Das Jagdgesetz (3. Mo 17, 13-14) weist auf Gäste/Fremdlinge hin und wendet die Regel an, dass das gejagte und zu essende Tier nicht allein dem Israeliten gehört, sondern auch generell für "Gäste/Fremdlinge" in Israel bestimmt ist. In 3. Mo 17-18 findet sich eine Anzahl anderer Vorschriften, die nicht allein auf den Israeliten begrenzt sind. Sie gelten für beide, die Israeliten und Nicht- Israeliten, so wie es der Satz "wer vom Haus Israel oder von den Fremdlingen unter euch" (hebr. gerîm ) (3. Mo 17, 8, 10, 13) ausdrückt. Diese Gesetze finden bei den Israeliten und "Fremdlingen" oder "Gästen" Anwendung (29) und können nicht nur auf Israeliten und den Kultus der Israeliten beschränkt werden. Mit anderen Worte: Für gewisse Gesetze gilt eine universale Anwendung; sie stehen außerhalb des begrenzten Anwendungsbereiches des zeremoniellen, rituellen, kultischen Gesetzes. Diese Gesetze sind universaler Natur.
Die Opfergesetze in 3. Mo 1-7 erwähnen die "Fremdlinge" oder "Gäste" (hehr. gerîm) nicht ausdrücklich und mögen nicht universell für alle Nicht-Israeliten gelten, weil letztere keine Glieder der Bundesgemeinschaft geworden sind. (30) Aber das universelle Gesetz, das aus 1. Mo 9, 4 bekannt ist, bevor es eine Volksgemeinschaft mit dem Namen Israel gab, nach dem kein Blut gegessen werden sollte, gilt für beide Gruppen, für Israeliten und für "Fremdlinge" (3. Mo 17, 10-12 [gerîm]). Das Jagdgesetz in 3. Mo 17, 13-14 scheint in Form und Anwendung zum universalen Gesetz zu gehören, weil es für die Israeliten und für die "Fremdlinge" (gerîm) gilt. In diesem Gesetz wird ein Unterschied gemacht, ob es "ein Tier oder ein Vogel ist, den man essen darf" (Vers 13). Die Folgerung ist, das es Tiere und Vögel gibt, die man nicht essen darf, da sie unrein sind. Die Unterscheidung zwischen rein und unrein gilt hier für gejagtes Wild. Diese Unterscheidung gilt für Israeliten und "Fremdlinge". Da beide, Israeliten und Nicht-Israeliten, hier genannt werden, scheint dies anzuzeigen, dass die Unterscheidung von Tieren, die gegessen werden dürfen und jenen, die nicht gegessen werden dürfen, universell gültig ist und nicht allein auf die Israeliten (oder Juden) beschränkt werden kann.
Wir wollen einen anderen innerbiblischen Indikator betrachten, der beweist, dass das Speisegesetz universeller Natur ist. Dieser Punkt ist mit der Benutzung des wichtigen Wortes "Greuel" verbunden. Die nicht-zeremoniellen und universellen Gesetze in 3. Mo 18 gelten wieder für Israeliten und "Fremdlinge" (gerîm). Diese Gesetze enthalten die Gesetze für verbotene Ehen (3.Mo 18, 6-17), Sunden der Unkeuschheit (3. Mo 18, 18- 21 ), Homosexualität (3. Mo 18, 22) und Sodomie (3. Mo 18, 23). dass diese Gesetze universeller Natur sind, wird durch die Tatsache verdeutlicht, dass die heidnischen Völker, die sich an diesen Greueln beteiligten, vertrieben werden sollten (3. Mo 18, 24), so dass "das Land seine Bewohner ausspie" (Vers 25). Vers 26 faßt zusammen, "Weder der Einheimische, noch der Fremdling unter euch" soll eins dieser "Greuel" (tô' ebôth) tun. Es ist besonders bemerkenswert, dass die unreinen Tiere ein Teil der "Greuel"sind bzw. zu den Greueln gehören und in der einleitenden Erklärung (Vers 3) des Speisegesetzes in 5. Mo 14, 3-21 tatsächlich als "Greuel" (tô' ebôth bezeichnet werden. Das Wort "Greuel' (tô' ebôth) hat mehrere Bedeutungsschattierungen, doch grundsätzlich bedeutet es irgendetwas, dass durch sein Wesen als etwas ausgewiesen wird, das dem entgegensteht, was vor Gott als annehmbar und/oder erlaubt gilt. (31) Offensichtlich stellt das Wort "Greuel" ein linguistisches und terminologisches Argument dar, das außerdem veranschaulicht, dass das Speisegesetz in Bezug auf reine und unreine Tiere ein universelles und kein zeremonielles Gesetz ist. Genauso wie die heidnischen "Völker", die sich den "Greueln" (tô' ebôth) hingaben, die in den universellen Gesetzen verboten sind, die Konsequenzen für solches Handeln durch ausgiebige Gerichte zu erleiden hatten, so gibt sich der Mensch, der unreine Tiere isst, den "Greueln" (5. Mo 14, 3; tô' ebôth) eines anderen universalen Gesetzes hin, das für die gesamte Menschheit gültig ist.(32)