Das Problem mit der Einheit

 

 

In den letzten Jahren ist die Diskussion der Trinitätslehre (Dreieinigkeitslehre) wieder aufgeflammt. Dieses uralte Thema wird immer wieder in verschiedenen Kreisen diskutiert, so auch in Foren wie Jesus.de oder in Zeitschriften. Gegner der Lehre verschicken Traktate, geben Vorträge und verkündigen ihre Sichtweise im Internet sowie durch Audiokassetten.

Bereits im September 2002 beschrieb Pöhler im Adventecho-Extra die verschiedenen Probleme, die mit der Trinitätslehre verbunden sind, obgleich er ebenso betonte, dass die Dreieinigkeitslehre unverzichtbar sei.

Unter anderem birgt diese Lehre ein logisches Problem (Wie können "Drei" gleichzeitig "Eins" sein?), ein linguistisches Problem (Wie findet man die richtigen Worte und Begriffe?) und ein theologisches Problem (Ist unser Glaube überhaupt monotheistisch?).

Diese Fragen bzw. der Mangel einfacher und befriedigende Antworten sind für Kritiker oft Anlass, die Dreieinigkeitslehre als "absurde", "unlogische" "Götzenlehre" zu bezeichnen.

Der Ton hat sich mittlerweile verschärft. So werden Trinitarier als z. T. als "Götzendiener" einer "tödlichen Irrlehre" bezeichnet.

Das Problem der Einheit – die theologische Seite

Auf diesen wenigen Seiten kann das Thema "Trinitätslehre" nicht erschöpfend behandelt werden. Es erscheint fast so, als wäre der menschliche Verstand nicht in der Lage alle Fragen dieses Themenkomplexes zu erfassen. Obwohl seit hunderten von Jahren die Menschen sich mit dem Thema beschäftigen, wurde noch keine Lösung gefunden.

Dennoch sind manche Gegner der Trinitätslehre der festen Meinung, sie könnten die Lehre widerlegen und das Problem der Einheit Gottes lösen. Sie sehen sich als Retter der Gemeinde, die die Götzendiener zurück auf den rechten Weg führen und als Wächter, die über die Lehren der Gläubigen wachen. Leider sind auch ihre Erklärungen nicht in der Lage, die verschiedenen von Pöhler angeführten Probleme zu lösen. Mehr noch: Ihre Argumentation ist an vielen Stellen fragwürdig und lässt sich gleichfalls gegen ihre eigenen Standpunkte anzuwenden. Ein Problem ist dabei, dass bestimmte Bibelstellen wörtlich und im absoluten Sinn verstanden werden. Würde man dieses aber bei allen Bibelstellen machen, käme man schnell zu Widersprüchen. Kritiker schreiben, dass "die Lehre der Bibel" klar, einfach und folgerichtig sei. Es wird sich zeigen, dass die biblischen Texte bei weitem komplizierter sind als manche behauptet. Manche Ausführungen der Kritiker scheinen widersprüchlich zu sein, etwa bei der Frage, wer oder was der Hl. Geist sei [1].

 

 

Außer Jahwe gibt es keinen anderen Gott.

 
 

Selbst wenn klar wäre, dass der Hl. Geist keine Person ist, würden zentrale Fragen und Probleme fortbestehen – in Form einer ebenso unerklärlichen Zwei-Einigkeitslehre: Wie können Vater und Sohn ein Gott sein? Heißt es doch in 5.Mose 6,4 von dem Gott Jahwe: "Höre, Israel: Der HERR ist unser Gott, der HERR allein!" und in Jesaja 45,5: "Ich bin der HERR und sonst keiner. Außer mir gibt es keinen Gott." (vgl. auch 5Mo 4,35; Jes 43,10; 44,6; 46,9). Jahwe ist der einzige Gott – alle anderen Götter sind falsche Götter. Niemand außer Jahwe darf den Titel "Gott" führen.

Auch die oft genannten neutestamentlichen Bibelstellen scheinen den Ein-Gott-Glauben zu bestätigen: "so ist doch für uns ein Gott, der Vater, von dem alle Dinge sind und wir auf ihn hin, und ein Herr, Jesus Christus, durch den alle Dinge sind und wir durch ihn." (1.Kor 8,6);

"Dies aber ist das ewige Leben, dass sie dich, den allein wahren Gott, und den du gesandt hast, Jesus Christus, erkennen." (Joh 17,3).

Der Vater ist Jahwe, der allein wahre Gott.

 
Der Vater ist Jahwe, der allein wahre Gott.
 

Diesen Texten zufolge ist der Vater, der allein wahre Gott. Da es außer Jahwe keinen anderen Gott gibt (Jes 45, 5), muss der Vater Jahwe sein. Die Aussage, dass der Vater allein wahrer Gott ist, wird mit Nachdruck mehrfach von Kritikern wiederholt. Paradoxerweise werden z. T. Widersprüche zu den eigenen Aussagen ignoriert, denn am Rande geben einige zu, dass Christus auch Gott ist und dass zwei göttliche Personen existieren.

Im gleichen Atemzug wird jedoch behauptet, dass der Sohn aber nicht Gott sei, wie der Vater Gott sei. Pointiert gesagt: Es gibt zwei verschiedene Götter. Der Sohn, der Gott durch seinen Vater ist und nicht aus sich selbst existiert und der Vater, der Gott ohne Anfang ist. Durch die Auswahl bestimmter Bibelstellen (z. B. Joh 17,3) so wie deren wörtliche Deutung wird versucht zu beweisen, dass der Sohn dem Vater nicht in allen Eigenschaften gleich sei. So wird argumentiert, dass "wenn der Vater ALLEIN wahrer Gott ist, können der Sohn und der Heilige Geist nicht auch ALLEIN wahrer Gott sein." – Das ist der springende Punkt: der Sohn kann nicht auch wahrer Gott sein, wenn der Vater allein wahrer Gott ist. Logischer Schluss: der Sohn ist nicht wahrer Gott – also ein falscher Gott oder gar kein Gott! Streng genommen müssten alle Kritiker davon absehen, Christus auch als Gott zu bezeichnen.

Viele gehen aber nicht soweit zu behaupten, dass Christus ein geschaffenes Wesen sei – auch wenn diese arianische Vorstellung noch heute unter den Zeugen Jehovas verbreitet ist. Vielmehr wird versucht, das Problem zu umgehen, indem Jesus hauptsächlich als "göttlich" oder als "Gott durch den Vater" beschreibt wird.

 


Jesus Christus ist auch Gott!
 
 

Die Bibel bezeugt, das Gottes Sohn auch Gott ist: Jesus sagt, dass Gott allein angebetet werden darf (Lk 4,7.8; 2.Mo 34,14; Ps 81,10) und verschiedene Textstellen weisen darauf hin, dass Menschen und Engel – also geschaffene Wesen – Anbetung nicht annehmen dürfen (Apg 10, 25.26; Offb 19,10; 22,8.9). Christus wurde aber auch angebetet (Joh 9,35-38; Hebr 1,6; Offb 5,11-14).

Auch im Hebräerbrief heißt es von dem Sohn: "Dein Thron, o Gott, ist von Ewigkeit zu Ewigkeit ... du hast Gerechtigkeit geliebt und Gesetzlosigkeit gehasst; darum hat dich, o Gott, dein Gott gesalbt mit Freudenöl vor deinen Gefährten." – Hier wird der Sohn als Gott angesprochen, ebenso in Johannes 20, 28, wo Thomas Jesus als "Herr und Gott" anredet. Paulus schreibt sogar, dass in Christus die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig wohnt (Kol 2,9). Und an anderer Stelle heißt es:

"[Christus Jesus], der in Gestalt Gottes war und es nicht für einen Raub [– also eine Anmaßung –] hielt, Gott gleich zu sein." (Phil 2,6)

Wie kann das sein? Haben wir nicht eben gelesen, dass es nur einen wahren Gott, den Vater, gibt? Wir sehen, wie sich bereits hier ein Zwei-Einigkeitsproblem abzeichnet. Mehr noch: Es lässt sich zeigen, dass der "allein wahre Gott" nicht der Vater allein, sondern auch der Sohn ist. Viele eindeutige Titel und Aussagen, die im AT Jahwe galten, werden im NT für Christus verwendet. Hier eine Auswahl:

 
Jahwe

 

 

Jesus Christus

Jahwe ist der Erste und der Letzte (Jes 44,6; 48,12)

Jesus ist der Erste und der Letzte (Offb 1, 17.18; 2,8; 21,6; 22,13.20)

Jahwe allein ist Retter und
Erlöser
(Jes 43,11; 45,21)

Jesus ist Retter und Erlöser (1.Joh 4,14; Apg 13,23; 2.Tim 1,10; Tit 1,4; 3,6)

Es gibt keinen Fels außer Jahwe (Jes 44,8; 1.Sam 2,2)

Jesus ist der Fels (1.Kor 10,1-4)

Jahwe ist Herr der Herren (5Mo 10,17)

 

Jesus ist der Herr der Herren bzw. Herr aller Herren (Apg 10,36; Röm 10,12; Offb 17,14; 19,16)

 

 
Jahwe ist nicht der Vater, sondern Jesus!
   

Es kann nur einen Ersten und einen Letzten geben – nur einer kann der Herr aller Herren sein. Wenn Jahwe allein der Retter oder der Fels ist und Jesus später als Retter oder Fels bezeichnet wird, dann muss Jesus (auch) Jahwe sein.

Interessanterweise heißt es in der Bibel, dass kein Mensch Gott (den Vater) gesehen hat (Joh 1,18; 6,46; 1.Tim 6,16; 1.Joh 4,12) – wenn wir mal Jesu Aussage "Wer mich sieht, der sieht dem Vater." in Johannes 14,9 außer Acht lassen. Jahwe wurde aber gesehen (1.Mo 32,31; 2.Mo 4,5; 33,11; Ri 13,22.23; Jes 6,1-5). Diese Feststellung deutet ebenfalls darauf hin, dass Jesus Jahwe ist.

Der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, Gott Israels, war also (auch) Jesus – dieses wird von Gegnern der Trinitätslehre z. T. bestritten. Paulus wendet aber verschiedene alttestamentliche Texte, die von Jahwe sprechen, auf Jesus an. Er greift z. B. in Römer 10,9-14 auf Joel 3,1-5 zurück, wo es unter anderem heißt "Jeder, der den Namen des HERRN (Jahwe) anruft, wird errettet werden". Paulus schreibt in seinem Zitat dieses Textes nur "Herr" anstatt Jahwe, doch bezieht er dieses in Vers 14 eindeutig auf Jesus. Auch wenn es den Anschein hat, als würde Paulus streng zwischen Gott (den Vater) und den Herrn (Christus, der Sohn) trennen, wendet er den Begriff Gott selbst auf Jahwe (Röm 4,3) und Jahwe auf Christus an.

Folgender Text aus der Apostelgeschichte rundet das Zwei-Einigkeitsproblem ab:

"Der Gott Abrahams und Isaaks und Jakobs, der Gott unserer Väter, hat seinen Knecht Jesus verherrlicht, den ihr überliefert und vor Pilatus verleugnet habt, als dieser entschieden hatte, ihn loszugeben." (Apg 3,13)

Der Gott Abrahams und Isaaks und Jakobs war Jahwe und Jesus war Jahwe. Zugleich wird Jesus Jahwes Knecht genannt, der von Jahwe verherrlicht wurde – eigentlich unmöglich.

 


Vater und Sohn bilden eine untrennbare Gottheit, die den Anspruch erheben!
 
 

Erneut zeigt sich hier die zweifache Einheit Gottes – unbegreifbar für den menschlichen Verstand. Man kann es drehen und wenden wie man will: Der allein wahre "Gott Jahwe" ist Vater und Sohn. Dieses ist ebenso menschlich-unlogisch wie die Vorstellung, dass drei Persönlichkeiten eine Gottheit bilden [2]. Diese Einheit von Vater und Sohn führt zu den gleichen Problemen, auf im Zusammenhang mit der Trinitätslehre hingewiesen wurde.

Bevor nicht das hier dargelegte Zweieinigkeitsproblem gelöst oder akzeptiert wird, macht es wenig Sinn, sich den Kopf über die Dreieinigkeitslehre zu zerbrechen. Es ist sinnlos, Theorien zu entwickeln, wie Vater und Sohn zueinander stehen oder was der Hl. Geist ist, wenn man die Zweieinigkeitsproblematik ignoriert. Insbesondere ist es unangebracht, andere Christen als Götzendiener zu bezeichnen und so Angst in die Gemeinden zu tragen.

Das ganze Thema der Trinitätslehre bzw. die publizierten alternativen Sichtweisen sind sehr komplex. Niemanden ist es bis lang gelungen, ein verständliches und widerspruchsfreies Konzept zu präsentieren. Auch von der Bibel her erscheint es völlig unglaubwürdig, dass das richtige Verständnis von der Natur des Vaters, des Sohnes und des Hl. Geistes heilsentscheidend sei. Voreilige Verurteilungen, unbedachte Beschuldigungen und unbegründete Behauptungen sind mit Sicherheit der falsche Weg, um in der Debatte zu einem Ergebnis zu kommen.

Auch wenn es einer Kapitulation gleich kommt, dürfen wir die Möglichkeit nicht ausschließen, dass wir die Frage nach der Zwei- bzw. Dreieinigkeit bis zur Schaffung der neuen Erde nicht befriedigend beantworten können. Wohlmöglich sind wir mit unserem Denken und mit unserer Sprache derzeit nicht in der Lage dieses „Problem“ zu lösen.

„Denn meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine Wege, spricht der HERR, sondern so viel der Himmel höher ist als die Erde, so sind auch meine Wege höher als eure Wege und meine Gedanken als eure Gedanken.“ (Jes 55,8-9)

 


[1] Verschiedne Aussagen tauchen nebeneinander auf:

1) Der Hl. Geist ist der Geist des Vaters.

2) Der Hl. Geist ist der Geist des Vaters und des Sohnes, die einig sind.

3) Der Hl. Geist ist Jesus mit dem Geist des Vaters.

4) Der Hl. Geist ist Jesus mit seinem und mit dem Geist des Vaters.

5) Der Hl. Geist, der "andere Tröster", ist Jesus.

[2] Diese eigentümliche Einheit von Vater und Sohn lässt sich auch z. B. für Sohn und Hl. Geist zeigen (Joh 14-16), wodurch eigentlich die Dreieinigkeitslehre vollständig aufgezeigt wäre.