Falsche Argumente für eine ewige Hölle und falsche Schlussfolgerungen
Die unsterbliche Seele des Menschen (Mt 28,10)
"Und fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, doch die Seele nicht töten können; fürchtet euch aber viel mehr vor dem, der Leib und Seele verderben kann in der Hölle." (Mt 10,28)
Anhand dieser Bibelstelle versuchen viele die Existenz einer unsterblichen Seele zu beweisen, die von sich aus unsterblich, d. h. unzerstörbar ist. Wenn die Seele unsterblich sei, dann "lebt" sie auch in der Hölle ewig weiter.
Leider ist die Argumentation in der Regel unvollständig, ungenau und zirkulär (d. h. aus A folgt B und aus B folgt A. Ein Beispiel: Man versucht etwas zu beweisen, indem man das, was man beweisen will, als (Teil-)Beweis verwendet). Im Internet[1] findet man etwa folgende Argumentation zur Unsterblichkeit:
Der erste Teil von Mt 10,28 ("Und fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, doch die Seele nicht töten können;") sei ein Wort für "töten" verwenden, das mit Nachdruck "etwas ganz und gar töten" bedeute.
Das fragliche Wort hier lautet apokteino und ist eine Wortkette von apo und kteino und bedeutet wörtlich "vollends-verwunden", also töten. In den Wörterbüchern wird es daher mit "jemanden auf die eine oder andere Weise töten", "umbringen", "zerstören", "umkommen", "jemanden schlachten", "abtöten", etc. übersetzt. Die übliche Übersetzung lautet "töten" und tritt im NT 71-mal auf. Die Verwendung dieses Wortes impliziert keine Bedeutung, die über das Wort "töten" hinausgeht. Die Argumentation wird wie folgt fortgesetzt:
Ein schwacher Mensch mag also den Körper eines anderen umbringen, aber die Seele ist unsterblich und entzieht sich ihm.
Die Aussage ist nur teilweise richtig. Es stimmt, dass ein Mensch nur den Körper eines anderen Menschen töten kann, d. h. er kann seine irdische Existenz beenden. Liegt dies aber daran, dass die "Seele" unsterblich ist, oder liegt es daran, dass Gott und nicht der Mensch über das ewige Schicksal der Menschen entscheidet? Jesus hat seinen Nachfolgern gesagt, dass sie verfolgt und auch getötet werden (Mt 23,34; Lk 11,49). Eben weil die Nachfolge sehr hart sein kann, finden sich auch tröstende Worte in der Bibel. Unmittelbar nach Jesu Worten in Mt 10,28 folgt eine Ermutigung (Mt 10,29-31) aber auch die Aufforderung, stets sich zu Jesus zu bekennen. In diesem Kontext steht der ganze Abschnitt: Fürchtet euch nicht vor den Menschen, denn sie können nur den Körper töten.
Vielen Christen, die von der Lehre der ewigen Qual ausgehen, verstehen Mt 10,28 leider primär als Warnung an die Menschen und nicht als Trostwort. So auch M. Basilea Schlink: "...Fürchtet euch aber vor dem, der Macht hat, Leib und Seele zu verdammen in die Hölle, nämlich vor dem heiligen Gott. Wer diese Furcht noch nicht hat, muss sie sich erbitten."[2] – Diese Sicht muss abgelehnt werden, da sie nicht vom Kontext noch vom Vers selbst motiviert wird. Sie bildet zudem einen frappierenden Gegensatz zu Johannes Worten in 1Joh 4,18: "Furcht ist nicht in der Liebe, sondern die vollkommene Liebe treibt die Furcht aus; denn die Furcht rechnet mit Strafe. Wer sich aber fürchtet, der ist nicht vollkommen in der Liebe."
Jesus sagt wenig später: "Wer sein Leben verliert um meinetwillen, der wird es finden!" (Mt 10,39). - An dieser Stelle wird für Leben im Grundtext das gleiche Wort benutzt, welches in Mt 10,28 als Seele übersetzt wurde, nämlich psyche. - Heute sagen wir Psyche, und meinen damit die Seele, die Identität, die Persönlichkeit, den Charakter, den Menschen an sich:
Lk 9,25 lesen wir: "Denn welchen Nutzen hätte der Mensch, wenn er die ganze Welt gewönne und verlöre sich selbst (psyche) oder nähme Schaden an sich selbst (psyche)?"
Das griechische Wort bedeutet eigentlich "Atem", "Hauch", "Leben(skraft)", "Sitz der Gefühle", usw. und entspricht dem hebräischen nephesh. Das Wort "Seele" wird auch für die Beschreibung des ganzen Menschen verwendet (siehe Zwischen Tod und Auferstehung).
Hier in Mt 10,28 werden "Seele" und Körper (soma) getrennt voneinander erwähnt. Zwar kann ein Mensch die Seele (den Menschen in seiner Gesamtheit) nicht töten, aber ist die Seele deswegen unsterblich, unzerstörbar? Nein, denn Paulus sagt, dass Gott allein unsterblich ist (1Tim 6,15.16).
Halten wir die Aussage in Mt 10,28a fest: Ein Mensch kann nur den Körper eines anderen töten – mehr nicht. Der Autor fährt fort mit:
Doch der Herr hat hinzugefügt: "Fürchtet aber vielmehr den, der sowohl Seele als Leib zu verderben vermag in der Hölle." Hier wechselt Er den Ausdruck und benutzt ein Wort, das bedeutet "etwas hinsichtlich des Zwecks, für den es existiert, verderben oder ruinieren". Dasselbe Wort wird in Johannes 3,16 mit "verlorengehen" übersetzt und bezeichnet in Matthäus 9,17 das Verderben der Schläuche. Wir finden es auch in Matthäus 27,20, wo die Führer das Volk überreden, um den Barabbas zu bitten, Jesus aber umzubringen. Das alles beweist klar, dass "Verderben" nicht totale Vernichtung bedeutet.
Im zweiten Teil wird weiter argumentiert: Fürchte nicht die Menschen – fürchtet vielmehr Gott, denn er kann mehr als die Menschen. Er kann den ganzen Menschen (die Seele) "in der Hölle verderben".
Bedeutet nun "verderben" mehr oder weniger als töten? Der Ausleger gibt richtig an, dass das Wort apollumi mit verderben, etwas verlieren, verloren gehen oder einbüßen übersetzt werden kann. Auch "umbringen" führt er an, worauf ich gleich zu sprechen komme. Die weiteren (und in Wörterbücher zuerst genannten) Übersetzungen sind: "(völlig) zerstören, vernichten; zunichte machen, ins Verderben stürzen, ruinieren, töten, ein Ende machen.".
Wie kommt der Autor zu der Ansicht, dass das alles klar beweist, dass "Verderben" nicht totale Vernichtung bedeutet? Er denkt zirkulär: Weil der Mensch eine unsterbliche Seele habe, bedeute "verderben", "umbringen", "töten", usw. nicht "Vernichtung" oder "richtig umbringen". Da nun die Seele auch in der Hölle nur verdorben und nicht vernichtet werden könne, sei sie unsterblich.
Diese fehlerhafte Argumentation findet man auch in neueren Veröffentlichungen, wie z. B. in "Und die Toten leben doch" von Hans-Jörg Ronsdorf – erschienen bei CLV. Hier heißt es auf S. 205:
"Wenn der Mensch wirklich vernichtet wird, wie kann dann der Rauch seiner Qual und Pein von Ewigkeit zu Ewigkeit aufsteigen (Offb 14,11; 20,10)? Wofür gibt es die Strafe des ewigen Feuers, wenn es niemanden mehr gibt, für den dieses Feuer »brennt« (Jud 7)? Warum ist das Feuer des Gerichts unauslöschlich (Mk 9,43)? Diese Schriftworte machen deutlich, dass Verderben nicht die Bedeutung von Vernichtung haben kann."
Ronsdrof hat eine bestimmte Auffassung bzgl. der genannten Bibelstellen, über die man trefflich streiten kann. Apollumi darf nicht "vernichten" heißen, weil dann die eigene Auslegung von Jud 7 usw. keinen Sinn macht. Also wird der Mensch "verdorben" und auf keinen Fall völlig ausgelöscht. So wird die eigene Auslegung von Mt 10, 28 und der übrigen Bibelstellen gestützt und die andere Auslegung verworfen. Frei nach dem Motto: Weil nicht sein kann, was nicht sein darf!
Wenn Hole und andere nicht versuchen würden, das, was sie beweisen möchten, durch das zu beweisen, was eigentlich noch zu beweisen ist, dann wäre ihnen wohl auch auffallen, dass apollumi auch "töten" und "vernichten" heißen kann. Gott kann – im Gegensatz zum Menschen – den ganzen Menschen (= Seele) in der "Hölle" vernichten, töten, etc., gleich wie ein Mensch einen anderen Menschen ganz umbringen kann. Darüber hinaus kann man fragen: Wäre Gott denn allmächtig (1Mo 17,1; Offb 21,22), wenn Er nicht alles, auch nicht die Seele (siehe Hes 18,4 (Elberfelder)) vernichten könnte?
Die Verwendung zweier verschiedener Wörter (z. B. apokteino und apollumi) muss nicht unbedingt bedeuten, dass hier zwei völlig unterschiedliche Dinge gemeint sind. Beide können widerspruchsfrei mit "töten" übersetzt werden.
Besonders das zweite Wort, das angeblich auf keinen Fall "totale Vernichtung" bedeuten kann, wird in der Bibel gerade als Gegensatz zur Unvergänglichkeit verwendet:
"damit euer Glaube als echt und viel kostbarer befunden werde als das vergängliche [apollumi] Gold, das durchs Feuer geläutert wird, zu Lob, Preis und Ehre, wenn offenbart wird Jesus Christus." (1Petr 1,7)
"Sie werden vergehen [apollumi], du aber bleibst. Sie werden alle veralten wie ein Gewand" (Hebr 1,11)
Auch in der LXX wird apollumi für vernichten und zerstören verwendet, so etwa in Jer 18,7; 23,1; Hiob 9,22; 12,23 und 5Mo 8,20. Davon abgesehen steht in Mt 10,28 nicht die Bedeutung von "verderben" im Vordergrund. Die Parallelstelle bei Lukas lautet (nach Elberfelder):
"Ich sage aber euch, meinen Freunden: Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten und nach diesen nichts weiter zu tun vermögen! Ich will euch aber sagen, wen ihr fürchten sollt: Fürchtet den, der nach dem Töten Macht hat, in die Hölle zu werfen; ja, sage ich euch, diesen fürchtet!" (Lk 12,4-5)
Hier ist von "verderben" gar nicht mehr die Rede. Vielmehr wird auch hier der Kontrast zwischen den beschränken Möglichkeiten der Menschen und der Macht Gottes gezeigt. Gott[3] allein entscheidet über das ewige Schicksal seiner Geschöpfe.
Der Autor kommt zum Schluss oder besser zu dem Fehlschluss:
Der ganze Vers zeigt uns erstens, dass die Seele nicht wie der Körper sterblich ist, und zweitens, dass Gott in der Hölle nicht vernichten, sondern den ganzen Menschen - Seele und Leib - verderben wird.
Dieser Deutung wird im Vers klar widersprochen. Es zeigt sich vielmehr, dass Gott mehr als die Menschen kann. Er kann ihn voll und ganz "apollumi", verderben, vergehen lassen, vernichten. Auch die anschließende Argumentation ist mangelhaft:
Die Seele ist also unsterblich, denn der Mensch besitzt sie in Verbindung mit dem Geist, den er, wie 1. Mose 2,7 berichtet, durch Gottes Einhauchen empfangen hat. Indem er so "eine lebendige Seele" wurde, ist er nicht wie die Tiere, die vergehen.
Im angegebenen Vers steht:
"Da bildete Gott, der HERR, den Menschen , aus Staub vom Erdboden und hauchte in seine Nase Atem des Lebens; so wurde der Mensch eine lebende Seele." (1Mo 2,7, ELB)
In diesem Vers wird gesagt, dass der Mensch aus Erde und dem eingeblasenen Odem zu einer lebendigen Seele wurde. Hier wird nichts über "den Geist" oder die Tiere ausgesagt. Will man darüber etwas sagen, so muss man andere Bibelstellen betrachten. Dort erfährt man z. B., dass der Mensch ohne göttlichen Odem wieder zu Staub wird (Ps 104,29). Man kann sogar die obige Aussage direkt widerlegen, denn es steht geschrieben:
"Denn es geht dem Menschen wie dem Vieh: wie dies stirbt, so stirbt auch er, und sie haben alle einen Odem, und der Mensch hat nichts voraus vor dem Vieh; denn es ist alles eitel." (Pred 3,19)
Dieses ist nicht die einzige Bibelstelle, die nahe legt, dass der Mensch von Natur aus nicht unsterblich ist. Liest man die Bibel aufmerksam, so erkennt man, dass der Mensch nicht von sich aus lebt, sondern durch Gott bzw. durch Gottes Werke. Schon auf den ersten Seiten der Bibel wird gesagt, dass der Mensch (nach der Sünde) durch den Baum des Lebens ewig leben könne:
"Und Gott, der HERR, sprach: Siehe, der Mensch ist geworden wie einer von uns, zu erkennen Gutes und Böses. Und nun, dass er nicht etwa seine Hand ausstrecke und auch noch von dem Baum des Lebens nehme und esse und ewig lebe!" (1Mo 3,22)
Um dieses den gefallenen Menschen zu verwehren, vertrieb ihn Gott aus dem Garten Eden und ließ den Weg zum Baum des Lebens von Engeln bewachen (1Mo 3,24). Wozu, wenn der Mensch von sich aus unsterblich wäre?
[1] http://home.debitel.net/user/martin.arhelger/feuer1.htm - ein Text von F. B. Hole, erschienen unter dem Titel "Future Punishment: Its Character and Duration" in "Foundations of the Faith" im Verlag Central Bible Hammond Trust, Wooler, Northumberland, NE71 6SP Great Britain, aus dem Englischen übersetzt von H. Verkerk.
[2] Basilea Schlink, Himmel, Hölle, Wirklichkeiten, Evangelische Marienschwesternschaft, Darmstadt
[3] Jesus sagt in der Offenbarung von sich: "Ich war tot, und siehe, ich bin lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit und habe die Schlüssel des Todes und der Hölle." (Offb 1, 18)