Entrückung - wann?
(Ein Leserbrief, der an die Zeitschrift factum gerichtet wurde.)
Leserbrief zum Artikel "Die große Drangsal und die Christen" von Rolf Höneisen (01/01/2001), zur Zusammenstellung "Das tausendjährige Reich" von Stefan Elser (01/01/2001) sowie zum Leserbrief von Wolfgang Kleine "Vorher die Entrückung" (11/12/2000) --- Zeitschrift factum ( http://www.factum-magazin.ch/)
Das Thema "Entrückung" wird in den letzten Jahren immer öfters hervorgehoben, obgleich die Entrückung der Gläubigen nur an einer einzigen Bibelstelle (1.Thes 4,17) erwähnt wird. Nicht nur, dass es immer mehr Spekulationen und "zielgeleitete" Auslegungen zur Entrückung gibt - factum präsentierte ein Reihe dergleichen - es werden zudem immer wieder die gleichen "Argumente" angegeben. Dank des Leserbriefes von Jean-Pierre Schneider wurde einiges zurechtgerückt. Es wäre eigentlich nötig, einiges zu den Themen "Israel", "Verheißung", "Bund", "Volk Gottes", "1000-(Friedens)reich", u. a. zu schreiben, aber ich möchte mich auf folgende Aussagen konzentrieren:
1. Es gibt eine (heimliche, unsichtbare) Auferstehung der Christen und eine weitere Auferstehung der (gläubigen) Israeliten.
2. Die Christen werden vor der großen Drangsal entrückt und entgehen dadurch der Verfolgung aus Offb 13. Diese Entrückung geschieht plötzlich und unbemerkt. Sie und die Wiederkunft Christi sind zwei getrennte Ereignisse.
3. Es gibt zwei unterschiedliche Heilspläne: einen für die Christen und einen für die Juden.
Ad. 1: Die Bibel kennt nur zwei Auferstehungen: Die eine zum ewigen Leben (die Auferstehung der Gerechten) und die Auferstehung zum Gericht (die Auferstehung der Ungerechten) (Joh 5,29; Apg 24,15; Dan 12,2). Über diejenigen, welche an der 1. Auferstehung teilhaben (Offb 20,6) hat der zweite Tod keine Macht. Die anderen Toten, d. h. die Ungläubigen, die nach den 1000 Jahren auferstehen, werden nach dem Gericht in den feurigen Pfuhl geworfen und sterben den zweiten, ewigen Tod.
Die erste Auferstehung steht im Zusammenhang mit der Wiederkunft Jesu (1. Thes 4,13-17). Wer hat nun Teil an der ersten Auferstehung? Es sind die Gläubigen (1. Thes 4,13-17) und Menschen, die um des Zeugnisses Jesu und um des Wortes Gottes willen ihr Leben gelassen haben, und die nicht angebetet hatten das Tier und sein Bild und die sein Zeichen nicht angenommen hatten an ihre Stirn und auf ihre Hand (Offb 20,4)! Diese Stelle zeigt, dass auch Christen durch die Verfolgungen des "Tieres" ihr Leben gelassen haben, also vorher nicht entrückt wurden. Das Argument, dass der Ausdruck die "Toten in Christus" eine "Extra-Auferstehung" für die gläubigen Israeliten notwendig macht, da die Israeliten nicht "in Christus", sondern in "Jahwe" des alten Testaments eingeschlafen sind., steht im Widerspruch mit den Aussagen des AT. Der Glaube des alttestamentlichen Menschen gründete sich auf dem kommenden Messias, also Jesus Christus. Dieses zeigt sich schon im Opferdienst (denn jedes Opfertier war ein Sinnbild für den Erlöser), aber auch in den Worten Pauli, wo er Jesus als den Fels der Israeliten identifiziert (anderswo wird der "Fels" mit Jahwe gleichgesetzt: 5.M 32,3.4.15; 1.Sam 2,2; Ps 28,1; Jes 44,8 etc.) und beschreibt, wie die Israeliten damals in der Wüste Jesus versuchten (1. Kor 10,1-9). Jesus war auch der Gott der Juden: Er war es, der die Erde geschaffen hat (Joh 1, 1-3.10; Kol 1,16f; Hebr 1, 2-3; 2,10; Jes 54,5; 1Mo 1,1). Ferner heißt es von Moses "[er] hielt die Schmach Christi für größeren Reichtum als die Schätze Ägyptens; denn er sah auf die Belohnung." (Hebr 11,26) In 1.Kor 15,22 schriebt Paulus: "Denn wie sie [die Menschen] in Adam alle sterben, so werden sie in Christus alle lebendig gemacht werden." In gleicher Weise erwähnt Jesus in Lk 20,36 die Kinder der Auferstehung (singular!), zu denen auch die verstorbenen gläubigen Juden zählen. Im Übrigen spricht Paulus in 1.Kor 15,51-52 allgemein von den Toten und nicht nur von den toten Christen, wobei die letzte Posaune sogar einen starken Zusammenhang zu Mt 24,31 und Offb 11,15 aufzeigt, also die Auferstehung und "Entrückung" mit der Wiederkunft Jesus verbindet.
Die Aussage, dass die Juden nicht in Christus (=Erlöser) eingeschlafen sind, kann anhand der o. g. Bibelstellen nicht aufrechtzuerhalten werden. Es wird klar, dass der Ausdruck "die Toten in Christus" in 1.Thes 4 verwendet wird, um die verstorbenen Gerechten von zwei anderen Gruppen zu unterschieden: (1) von den toten Ungerechten, die auch bei Jesus Wiederkunft ihr Grab nicht verlassen werden, und (2) von den lebenden Christen, denen Paulus hier tröstend zuspricht, dass ihre geliebten Verstorbenen keinen Nachteil haben werden, wenn Jesus kommt, sondern dass sie beide verwandelt werden.
An keiner Stelle der Bibel wird eine heimlichen oder unsichtbare Auferstehung erwähnt. Ganz im Gegenteil: Die Auferstehung, die mit der Wiederkunft zusammentrifft, wird wie ein Blitz sichtbar für alle sein (Mt 24,27). Vom Schall der Posaunen begleitet, wird es darüber hinaus bestimmt nicht zu überhören sein (1.Kor. 15,52; 1.Thess 4,16; Hebr 12,19).Die gerne zitierte Bibelstelle 1.Kor 15,52 lehrt keine plötzliche und heimliche Entrückung, sondern lediglich die schlagartige Umwandlung unserer vergänglichen, kranken Körper!
Ad. 2: Auch sie Aussage, dass Jesus wie ein Dieb in der Nacht kommt wird oft missgedeutet. Jesus kommt wie ein Dieb, doch meint dieser Vergleich sein plötzliches, unerwartetes Erscheinen bei seiner Wiederkunft und nicht etwa die Entrückung. "Ihr aber, liebe Brüder, seid nicht in der Finsternis, daß der Tag wie ein Dieb über euch komme" (1.Thess 5,4). Wäre mit dem Dieb das heimliche Entrücken der Gläubigen gemeint, hätte Paulus keinen Grund gehabt, seine Brüder davor zu warnen! Liest man alle Stellen wo Jesus "wie ein Dieb" kommt, so wird klar, dass seine Wiederkunft gemeint ist. (Siehe 1.Thes 5:2.4; 2.Pet 3,10; Offb 3,3; 16,15: Hier befinden wir uns bereits in den Plagen und Jesus ist noch nicht gekommen!)
Ferner muss ich darauf verweisen, dass die Vers- und Kapiteleinteilung der Bibel erst viele hundert Jahre nach ihrer Abfassung durchgeführt wurde, und alle Bibelstellen im Kontext gelesen werden müssen. Ließt man den ersten Thessalonicherbrief im Zusammenhang wird klar, dass Paulus von der Ankunft des Herrn spricht (1.Thes 4,15; vgl. Mt 24,30.31) und davon, dass wir nach der Entrückung immer beim Herrn bleiben. Das vierte Kapitel geht nahtlos in das fünfte über: "Von den Zeiten und Stunden aber, liebe Brüder, ist es nicht nötig, euch zu schreiben; denn ihr selbst wißt genau, daß der Tag des Herrn kommen wird wie ein Dieb in der Nacht." Der Augenblick kommt wie ein Dieb: unerwartet. Paulus ermahnt seine Brüder in Christus wach und nüchtern zu sein (V. 7), gleich wie Jesus zuvor in Mt 24,42-44! An dieser Stelle bricht die Deutung, dass die Entrückung und die Wiederkunft zu zwei unterschiedlichen Zeiten geschehen, zusammen. Wieso fordert Paulus denn seine Brüder auf zu wachen und nüchtern zu sein und so auf den Tag des Herrn zu warten, wenn sie doch angeblich vorher entrückt wurden und der Tag des Herrn die Christen gar nichts angeht? Wenn Jesus kommt, dann kommt nicht nur die Entrückung, sondern auch das Gericht (Offb 22,12). Deswegen sollte man wachen.
Ad. 3: Im dem Sinnbild vom Ölbaum erkennen wir, dass es nur einen Heilsplan gibt: Jesus Christus! Wir Heiden wurden, als wir Christus annahmen in den einen heiligen Ölbaum eingepfropft. Die Juden aber, die Jesus nicht annahmen wurden vom Baum abgeschnitten. Solange sie Jesus nicht annehmen, bleiben sie auch als abgeschnittene Zweige zurück. Doch der ganze Ölbaum bestehend aus Juden und Heiden wird am Ende gerettet werden, als Ganzes und nicht stückweise. Mit den Worten Jesu aus Joh 10,16 möchte ich abschließen: "Und ich habe noch andere Schafe, die sind nicht aus diesem Stall; auch sie muss ich herführen, und sie werden meine Stimme hören, und es wird EINE Herde und EIN Hirte werden.". Möge Jesus, der Hirte dieser Schafe (Joh 10,11; Hebr 13,20), bald kommen und uns alle nach Hause bringen, damit wir sind, wo er ist (Joh 14,1-3).