Propheten und Prophezeiungen
Einleitung Gott der HERR tut nichts, er offenbare denn seinen Ratschluß den Propheten, seinen Knechten.
Amos 3,7; Luther 84
Als der Schöpfer der Himmel und der Erde enthält sich Gott das Recht vor, souverän zu handeln und seiner Geheimnisse Herr zu sein. Dennoch hat er im Laufe der Geschichte die wichtigsten Stationen der Erlösung seines Volkes seinen Knechten, den Propheten, kundgetan. So wird bereits im Alten Testament jedes für Israel bedeutungsträchtiges Ereignis bereits vor seinem Eintreten vorhergesagt (z. B. 1Mo 3,15 - Verheißung des Messias; 1Mo 15,13 - Ägyptische Gefangenschaft; Jes 44, 28ff - Befreiung Israels aus der Babylonischen Gefangenschaft durch Kyrus etc.).
Diese Vorhersagen erfüllten die Funktion, das Volk in schwerer Zeit zu trösten und ihm Hoffnung zu geben, es auf wichtige Geschehnisse vorzubereiten, Gott als den Allmächtigen Herrscher darzustellen, der die irdische Geschicke unter Kontrolle hält. Jesus spricht in dem Zusammenhang in Joh 14,29 noch einen anderen Aspekt an: Und jetzt habe ich's euch gesagt, ehe es geschieht, damit ihr glaubt, wenn es nun geschehen wird. - Luther 84.
Die Botschaften von Gott wurden an das Volk durch die Propheten übermittelt. Das Hebräische Wort Prophet, nabî, heisst der von Gott Berufene, also jemand, der eine Berufung (von Gott) hat (siehe Jes 6,8f; Jer 1,5; Hes 2,3ff; Am 7,15 etc.). Ein Prophet in der alttestamentlichen Zeit war ein Repräsentant Gottes für seine Kinder auf Erden. Während die Priester vorrangig mit der zeremoniellen Seite des Tempeldienstes, d.h. mit der rituellen Aufrechterhaltung der Beziehung mit Gott, beschäftigt waren, war es die Aufgabe der Propheten, das Volk über die Prinzipien des gerechten Lebens, über geistliche, ethische und moralische Pflichten zu lehren, es zu beraten, zu ermahnen, zu warnen und über die Zukunft zu erleuchten. Bei Mose, dem größten Propheten (siehe 5Mo 18,15), spielte das Letztere eine eher untergeordnete Rolle. Ähnlich wurde das Buch Daniel, welches einige der größten prophetischen Visionen der Heiligen Schrift beinhaltet, von den Juden nicht zu den prophetischen Schriften des Kanons gezählt. Maßgebend für die Einteilung der Schrift scheint nicht der Inhalt der Bücher zu sein [Die Bücher Josua, Richter, Samuel oder Könige zählen auch nicht zu den prophetischen Schriften], sondern das Amt des Verfassers. Da Daniel hauptsächlich das Amt am Hof der babylonischen Könige innehatte und nicht wie Jesaja, Elia oder Hosea sein Leben voll den Aufgaben eines Propheten widmete, erscheint er nicht auf der Liste der Propheten.
Nachdem ein Prophet in sein Amt berufen wurde, wird ihm gleichsam die Pflicht auferlegt, über das Haus Israel zu wachen (siehe Hes 33,7). Der Prophet wurde auch dafür von Gott selbst zur Rechenschaft gezogen (siehe Hes 33, 3.6). Anderseits sind auch die Hörer der Propheten für die Umsetzung der Botschaft vor Gott persönlich verantwortlich (siehe Hes 3, 17-21; 18,25-32; 33,1-9; ). Wie wichtig dieser Aspekt zu sein scheint, zeigt die Tatsache, dass die Ablehnung der an Israel gerichteten prophetischen Botschaft, das Volk ins Abgrund stürzte (siehe Mt 23,37f).
Prophetische Botschaften und Inspiration
Die Visionen erreichten den Propheten im Traum (siehe 3Mo 12,6; Hes 1,1; Dan 8,2; Mt 1,19) oder wurden direkt vom Gott, als hörbare Stimme, vernommen (siehe 4Mo 12,8f; 1Sam 3,4). Die Worte wurden dem Propheten nicht diktiert. Die Idee der Botschaft wurde vielmehr mit eigenen Worten unter dem Einfluss des Heiligen Geistes und der eigenen Persönlichkeit formuliert (siehe Hes 10,1; Offb 4,1). Es ist deswegen auch nicht verwunderlich, das die Visionen vom Thron Gottes von Johannes und Hesekiel sich voneinander unterscheiden, auch wenn ihnen dieselbe Idee zugrunde liegt (siehe Hes 1; Offb 4). Wären die Botschaften diktiert, so dürfte man keine Unterschiede feststellen, sondern vielmehr eine objektive Darstellung des himmlischen Thrones. Es sind also nicht die Worte der Botschaft, die inspiriert sind, sondern derjenige, der die Botschaft empfängt und wiedergibt. Inspiration vollzieht sich nämlich nicht an den Werken des Menschen oder seiner Ausdrucksweise, sondern indem der Mensch unter der Wirkung des Heiligen Geistes mit göttlichen Ideen und Gedanken erfüllt wird.
Der Prophet verstand nicht immer der Inhalt und die Bedeutung der empfangenen Nachricht und hielt es manchmal für nötig, Gott für sich um Erleuchtung zu bitten (siehe Dan 8,27; 12,8f; 2Pet 1,10f).
Der echte Prophet lehrte durch den Heiligen Geist (siehe 1Kö 22,24; 2Ch15,1; 2Chr 15,1; 24,20; Neh 9,30; Hes 11,5; Joel 20,28; Micha 3,8; Zed 7,12; 1Pet 1,10f) und sprach, nachdem er vom Heiligen Geist dazu angehalten wurde (siehe 2Pet 1,20f). Die verkündigte Botschaft war nicht seine eigene, sondern kam von Gott (siehe Hes 2,7; 3,4.10.12 vgl. 4Mo 22,38; 1Kö 22,14).
Dieses Prinzip trifft bei der Gesamtheit der Propheten zu, denn es ist noch nie eine Weissagung aus menschlichem Willen hervorgebracht worden, sondern getrieben von dem heiligen Geist haben Menschen im Namen Gottes geredet. (2Pet 1,21; Luther 84)
Das ist auch der Grund dafür, dass ihr darauf [gemeint ist das prophetische Wort] achtet als auf ein Licht, das da scheint in einem dunklen Ort, bis der Tag anbreche und der Morgenstern aufgehe in euren Herzen (2Pet 1,19; Luther 84).
In manchen Fällen griff Gott ein, wenn der Prophet sich der Vorstellung hingab, sein eigener Wille entspreche dem Willen des Schöpfers (siehe 1Sa 16,6f; 2Sam 7,3). Um sicher zu stellen, dass das Volk auch davon überzeugt sei, die prophetische Botschaft stamme von Gott, lies Gott den Propheten manchmal verstummen bis auf die Zeit wenn er Gottes Willen bekannt gab (siehe Hes 1,2f; 3,26f; 33,21f).
Sollte Gott heute immer noch nach denselben Prinzipien handeln wie es in der biblischen Zeit der Fall war - und es scheint nichts dagegen zu sprechen - dann könnten die gegenwärtigen Propheten und Prophetinnen nach den biblischen Kategorien klassifiziert oder auch disklassifiziert werden. [Die Bibel spricht neben den Propheten auch von Prophetinnen, nabî 'ah; siehe 2Mo 15,20; 4Mo 12,2; Ri 4,4-15; 2Kö 22,12f; Lk 2,36; Apg 21,8f].
Angesichts der Fülle von prophetischen Manifestationen in den heutigen religiösen Gruppierungen scheinen Richtlinien für die Unterscheidung von echten und falschen Propheten von Nöten zu sein, zumal sich die Aussagen der Geister teilweise widersprechen. Als Jesus sich mit seinen Jüngern über die letzten Tage unterhielt, warnte er sie eindringlich davor, sich verführen zu lassen (siehe Mt 24, 11. 24; Mk 13, 22). Eine Verführung hängt immer mit einer Theologie zusammen und wird oft durch prophetische Aussagen untermauert (siehe 2. Pet 2,1). Nun wird uns dazu geraten, sich mit den Geistesmanifestationen auseinanderzusetzen, denn viele falsche Propheten sind in die Welt ausgegangen. Wir sollen nicht jedem Geist glauben, sondern vielmehr die Geister prüfen, ob sie aus Gott sind oder nur vorgeben, es zu sein. Das Problem der unechten Prophetie ist keinesfalls ein modernes Phänomen. Schon zu biblischen Zeiten gab es falsche Propheten (siehe 1Kö 22,6.22; Jer 27,14f;28,1.2.5.9.15-17; Hes 13,17; Micha 3,11). Entsprechend der Not, wurde in der Heiligen Schrift dafür gesorgt, dass falsche Propheten identifiziert werden konnten.
1. Eintritt der Voraussage des Propheten Wenn du aber in deinem Herzen sagen würdest: Wie kann ich merken, welches Wort der HERR nicht geredet hat? - wenn der Prophet redet in dem Namen des HERRN und es wird nichts daraus und es tritt nicht ein, dann ist das ein Wort, das der HERR nicht geredet hat. Der Prophet hat's aus Vermessenheit geredet; darum scheue dich nicht vor ihm. (5Mo 18,21.22; Luther 84)
Der Text lässt die Aussage zu: "Falsche Propheten sind solche, deren Aussagen nicht in Erfüllung gehen" (siehe auch Jer 28,9). Allerdings ist ein Kehrschluss nicht möglich, weil auch Scharlatane gelegentlich die Zukunft richtig vorhersagen. Als der große Gegenspieler Gottes verfügt Satan über große Weisheit, Kraft und jahrhundertelange Erfahrung mit dem menschlichen Geschlecht. Es ist daher nicht verwunderlich, dass auch Satan durch seine Propheten die Zukunft Voraussagen und dann dafür sorgen kann, dass seine Voraussage eintritt (siehe 5Mo 13,2-3).
Eine Sonderstellung haben Zukunftsvisionen, die an Bedingungen des Gehorsams und der Loyalität Gott gegenüber geknüpft sind. Werden die letzten nicht erfüllt, so tritt die Voraussage trotz ihres wahren Charakters nicht ein (siehe Jer 18,7-10). Es findet sich in der Bibel eine breite Palette an unerfüllten Prophezeiungen (siehe Jes 40-66; Jer 33; Hes 36-48; Micha 4; Das Buch Sacharja), weil sich Israel an Gottes Weisungen nicht hielt. Nichtsdestotrotz werden diese Verheißungen für das neutestamentliche Volk Gottes, das geistliche Israel, das mit dem Ausscheiden des alttestamentlichen Israels seinen Platz einnahm, (siehe 1Pet 2,9f) zur Erfüllung kommen. Da das geistliche Israel keine national-politische Einheit im wörtlichen Kanaan, umgeben von seinen Feinden wie Assyrien, Babylon oder Ägypten, darstellt, muss man vorsichtig überprüfen, ob es nicht Teile der prophetischen Aussagen gibt, die auf die christliche Gemeinde nicht mehr wortwörtlich zutreffen und dementsprechend keine Erfüllung finden können, insbesondere solche, die mit spezifischen historischen Gegebenheiten zu tun hatten.
2. Aussage des Propheten und biblische Aussagen
Die Ausführungen des Propheten mögen noch so überzeugend sein und mit unseren Wünschen und Vorstellungen noch so gut übereinstimmen, die Bibel ist und bleibt der zuverlässige Standard aller Lehre:
Zum Gesetz und zum Zeugnis! Wenn sie nicht nach diesem Worte sprechen, so gibt es für sie keine Morgenröte [Anmerkung des Verfassers: keine Morgenröte d.h. sie haben kein Licht]. ( Jes 8, 20; Elberfelder) Alles, was ich euch gebiete, das sollt ihr halten und danach tun. Ihr sollt nichts dazutun und nichts davontun. Wenn ein Prophet oder Träumer unter euch aufsteht und dir ein Zeichen oder Wunder ankündigt und das Zeichen oder Wunder trifft ein, von dem er dir gesagt hat, und er spricht: Laß uns andern Göttern folgen, die ihr nicht kennt, und ihnen dienen, so sollst du nicht gehorchen den Worten eines solchen Propheten oder Träumers; denn der HERR, euer Gott, versucht euch, um zu erfahren, ob ihr ihn von ganzem Herzen und von ganzer Seele liebhabt. (5Mo 13,1-4; Luther 84)
Siehe auch Jer 27,12-16.
3. Lebensstil des Propheten Seht euch vor vor den falschen Propheten, die in Schafskleidern zu euch kommen, inwendig aber sind sie reißende Wölfe. An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen. Kann man denn Trauben lesen von den Dornen oder Feigen von den Disteln? So bringt jeder gute Baum gute Früchte; aber ein fauler Baum bringt schlechte Früchte. Ein guter Baum kann nicht schlechte Früchte bringen, und ein fauler Baum kann nicht gute Früchte bringen. Jeder Baum, der nicht gute Früchte bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen. Darum: an ihren Früchten sollt ihr sie erkennen. (Mt 7, 15-20; Luther 84)
Dieses Kriterium scheint für unechte Propheten am schwersten zu erfüllen zu sein. Ein gottgefälliges Lebenswandel ist der beste Beweis für die gottverliehene Kraft eines Menschen, denn nur die Füllung mit dem Heiligen Geist kann in dem menschlichen, von Natur aus egoistischen, Herzen Liebe für Gott und für den Nächsten erwachen lassen. Nur dann kann die Frucht des Geistes (siehe Gal 5,22f) an den Tag gelegt werden und das Ausleben den von Jesus dargelegten Prinzipien ermöglichen.
4. Steht Christus im Mittelpunkt?
Das Schicksal unseres Planeten wurde in Jesu Hände übertragen. Er hat uns erlöst und wird dafür sorgen, dass Seine treuen Nachfolger ewig mit ihm leben dürfen. Deswegen wird sich jeder echter Prophet stets darum bemühen, Jesus Christus als den Zulaufspunkt jeglicher Weisung zu machen – wenn auch nicht immer direkt.
Ihr Lieben, glaubt nicht einem jeden Geist, sondern prüft die Geister, ob sie von Gott sind; denn es sind viele falsche Propheten ausgegangen in die Welt. Daran sollt ihr den Geist Gottes erkennen: Ein jeder Geist, der bekennt, daß Jesus Christus in das Fleisch gekommen ist, der ist von Gott; und ein jeder Geist, der Jesus nicht bekennt, der ist nicht von Gott. Und das ist der Geist des Antichrists, von dem ihr gehört habt, daß er kommen werde, und er ist jetzt schon in der Welt. (1Joh 4, 1-3; Luther 84) 5. Verschiedene Aspekte
Falsche Hirten und Propheten verraten sich durch ihre selbstsüchtigen Motive (siehe Mi 3,11), ihre Bereitschaft einerseits den Menschen das zu sagen, nach dem ihre Ohren jucken (siehe 2Tim 4,3; Jes 30,10; Micha 2,11) und anderseits ihr böses Verlangen zu befriedigen (siehe 1Kö 22,6-8).